Markenkommunikation 2.0: sozial und profitabel

Der Wertbeitrag von Social-Marketing-Aktivitäten ist trotz Tausenden von Fans meist vergleichsweise gering. Wie soll sich die Zukunft eines Kanals gestalten, an den nicht die Anforderung gestellt wird, für Marke und Verbraucher echten Mehrwert zu generieren?

Von Dr. Annette Bruce, Creative Advantage, Hamburg

 

„Marketing soll den Verkauf überflüssig machen“, so beschrieb Management-Legende Peter Drucker seinerzeit das Ziel dieser Unternehmensfunktion. Ein präzise formulierter Zweck, zwar nie voll ständig einlösbar, aber als Maßvorgabe sehr effektiv.

In vielen Bereichen hat sich das Marketing dieser Herausforderung erfolgreich gestellt. Besondere Schwierigkeiten bereitet vielen Marketern aber die Bestimmung des Wertbeitrags von Marketing-Aktivitäten in sozialen Medien. Selbst die Zahlen-Spezialisten von McKinsey stellten bei ihren Kunden weitreichende Unkenntnis in diesem Bereich fest (McKinsey Quarterly, April 2012).

 

Klassische Strategien reizen das Potenzial der sozialen Medien nicht aus

Der Druck des ‚Dabei-sein-Müssens‘ ist stark und führt dazu, dass Ziel- und Strategieformulierungen vernachlässigt werden und oft gleich zur Konzeption bzw. Implementierung übergegangen wird. Doch dieses Vorgehen ist sehr fragwürdig – wenngleich Strategien in einer äußerst volatilen, nicht planbaren Welt ihren Wert verlieren.

Soziale Medien sind heute als ein Kanal von vielen fester Bestandteil der Markenkommunikation. Dabei bleibt die Kommunikation hierarchisch, ein Sender definiert seine Botschaft und wählt den Kommunikationskanal. Mit der Absicht, die viralen Effekte sozialer Medien zu nutzen, sollen die Inhalte einen möglichst großen Anteil der Zielgruppe erreichen und so für ‚Earned Media‘ sorgen. Der Inhalt bzw. die Botschaft bleibt dabei weitestgehend unverändert. Grundsätzlich spricht nichts gegen diese Taktik. Erfolgsbeispiele gibt es, wie den modernen Werbespot-Klassiker ‚The Force‘ von VW. ‚Social‘ ist er aber nur in der Hinsicht, dass er sehr viele Menschen zum Teilen animierte und so einen der Kernmechanismus sozialer Medien nutzte.

Die rapide Akzeptanz und die intensive Nutzung sozialer Medien sind aber nicht in erster Linie durch das Teilen vorgefertigter Inhalte begründet. Soziale Medien ermöglichen Austausch und Partizipation, sie erfüllen bzw.. vereinfachen die Befriedigung sozialer Bedürfnisse: über sie können Beziehungen aufgebaut, intensiviert und gepflegt werden. Der Stil der Kommunikation ist reziprok und kollaborativ. Das Miteinander der ‚Freunde‘ untereinander ist demokratisch.

Unternehmen und Marken, die nicht nur die Mechanismen der sozialen Medien nutzen möchten, sondern teilhaben wollen am Miteinander im Netz, das heißt Beziehungen zu Verbrauchern, Kunden und Fans aufzubauen, müssen sich auf eben jenen demokratischeren Diskurs einlassen. Mit dieser sogenannten kollaborativen Kommunikation sind Unternehmen auch in der Lage, sowohl für sich als auch für die Kunden, Interessenten und Fans Mehrwerte zu generieren, die über ‚Earned Media‘ hinausgehen.

 

Kollaborative Kommunikation für profitablen Mehrwert

Aufgabe des Unternehmens bei der kollaborativen Markenkommunikation ist es, eine Plattform zu schaffen, über die die Nutzer frei verfügen und auf der – jenseits von kurzfristigen taktischen Maßnahmen – nicht oder höchstens subtil geworben und schon gar nicht zensiert wird. Marketer müssen dazu Anlässe schaffen und Impulse setzen, um die Kommunikation anzuregen: Nutzern wird die Möglichkeit gegeben, sich untereinander über die Marke auszutauschen, die Marke bzw. das Angebot zu bewerten, Vor- und Nachteile abzuwägen und persönliche Erlebnisse zu teilen und damit genau das  zu tun, wozu Menschen sich in den sozialen Medien ursächlich bewegen: um mit anderen in Kontakt zu treten, Beziehungen aufzubauen und relevante Inhalte zu teilen. Denn mal ehrlich: Mit Marken kann man nicht sprechen, und das ‚Sprachrohr der Marke‘ – zumeist nicht einmal der Markenmanager, sondern eine Agentur – gibt sich ja bekanntlich höchstens in einem Steckbrief zu erkennen, zeigt seine menschliche Seite in der Kommunikation ansonsten aber nicht.

Beispiele für diesen Ansatz sind in der Menge noch überschaubar, dafür aber umso kraftvoller. Eines davon ist der Launch des Ford Fiesta in den USA. Das Unternehmen verschenkte über einen digitalen ‚Beauty Contest‘ 100 Fiestas, stattete die Gewinner mit einem Taschengeld aus und ließ diese schon weit vor dem Verkaufsstart des Modells online über ihre Erfahrungen berichten. Ford und die Besucher profitierten so von der glaubwürdigsten Quelle im Kauf- und Informationsprozess – den Kunden und Verwendern selbst. Die Wirkung des ‚Fiesta Movements‘ mit einem Etat von fünf Millionen US-Dollar war in Bezug auf die Modell-Bekanntheit laut Ford-CMO Jim Farley gegenüber dem McKinsey CMSO-Forum vergleichbar mit dem Ergebnis eines Einsatzes von 60 Millionen US-Dollar in klassische Kommunikation.

Ein weiteres bekanntes Beispiel für erfolgreiche kollaborative Kommunikation sind die ‚Real Women of Philadelphia‘. Das Koch-Casting in Verbindung mit einer sehr lebhaften Rezepte-Tausch-Community verband geschickt einen Wettbewerb mit attraktiven Preisen – die Siegerinnen gewannen 25.000 US-Dollar und bekamen einen eigenen Koch-Kanal auf YouTube – und intensivem Gemeinschaftsgefühl.

Gleichzeitig erreichte Kraft sein Ziel, neue und vielfältige Verwendlmgsmöglichkeiten von Frischkäse aufzuzeigen und so – nach eigenen Angaben – den Absatz in Verbindung mit klassischen Media-Spendings um fünf Prozent zu erhöhen.

Social-Marketing-Aktivitäten auf Basis des kollaborativen Ansatzes zeigen das erweiterte Rentabilitätspotenzial der neuen Medien jenseits viraler Reichweitenvergrößerung, sei es direkt durch a) Absatzsteigerung wie im Fall Philadelphia oder durch b) Kostenreduzierung wie bei Ford. Entscheidend ist es, neben dem Angebot von klassischen funktionalen und emotionalen Benefits des Produktes bzw. der Marke, über die neuen Medien auch die sozialen Bedürfnisse der Kunden zu adressieren und diese im Kontext des Kaufentscheidungsprozesses zu vernetzen.

Der Ehrgeiz der Werber und Marketer, auch über die sozialen Medien einen messbaren Beitrag zum Markenerfolg zu leisten, ist scheinbar noch gering. Vielleicht fehlen einfach die Ideen. Vielfach liegt es aber auch daran, dass eine Marke, die per Positionierungsstatement auf Unfehlbarkeit festgelegt worden ist, sich einem demokratischen Kommunikationsverständnis gar nicht öffnen kann.

10120625_StrategyCorner_Bruce_Markenkommunikation 2.0- sozial und profitabel_Abb

 

 

Foto: „Räumungs…“ | .marqs | photocase.de

comments powered by Disqus