Divide et impera!

Sponsoring kann deutlich kreativer und effizienter sein, als viele glauben. Wenn man Kanal und Idee von Anfang an trennt.

Von Sven Müller und Dennis Thaut, müllerthaut, Büro für Strategie, Konzeption und Intelligence Services, Stuttgart/Ingolstad

 

Sponsoring ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Unternehmenskommunikation. Während in Deutschland im Jahr 2000 durchschnittlich nur 15 Prozent des Budgets für Sponsoring-Maßnahmen eingesetzt wurden, waren es 2010 bereits 21 Prozent. Deutsche Unternehmen und Agenturen gehen aktuell von einem Volumen von 4,2 Milliarden Euro aus – Tendenz steigend. Damit gehört das Sponsoring zu den wenigen Kommunikationsdisziplinen, denen Experten für die nächsten Jahre konstantes Wachstum vorhersagen.

 

Sponsoring leistet mehr als vermutet.

Die inhaltliche Relevanz intelligenter Sponsoring-Maßnahmen dürfte angesichts des steigenden Stellenwerts emotionaler Inhalte und Storys noch weiter zunehmen. Denn Sponsoring hat das Potenzial, Marken mit Substanz aufzuladen, ihnen Exklusivität zu verleihen und maßgeblich dazu beizutragen, den „Social Footprint“ im Web zu vergrößern.

Dass Sponsoring auch hohe vertriebliche Relevanz haben kann, zeigen Beispiele wie die FC Bayern Sparkarte der HypoVereinsbank oder die WM-BahnCard der Deutschen Bahn.

Generell kann Sponsoring also mehr leisten als gedacht. Eine Kommunikationsdisziplin, die davon lebt, maximal vernetzt zu werden. Dass Sponsoring vielerorts trotzdem nur als Randerscheinung wahrgenommen wird, liegt am Mangel an kreativen Umsetzungen. Jeder kennt die Standard-Formate wie das zehnte Golfturnier, das x-te Fußball-Event oder das Sport-Testimonial auf dem Bildschirm. Spannend ist das nicht.

 

Kreativ gesehen ist noch einiges drin – und zwar so:

Um zu verstehen, was man besser machen kann, sind zwei Parameter zu berücksichtigen.

 

Erstens: das Grundprinzip der Kreativität.

Kreativität ist – morphologisch betrachtet – die Reaktion auf ein Spannungsverhältnis. Gegensätzliches wird durch eine Idee in Einklang gebracht. Ähnlich dem Aufbau eines Consumer Insights.

Ein Beispiel für ein solches Spannungsverhältnis ist die TV-Serie „Alf“: Eine pelzige außerirdische Lebensform gerät vom Planet Melmac auf die Erde. Durch die unterschiedlichen Wertesysteme beider Planeten – auf Melmac werden Katzen gegessen und gelten eheliche Kinder als unmoralisch – entsteht Spannung. Und zwar ausreichend für vier Staffeln mit 102 Fernsehfolgen und diverse Spin-Offs. Auch in der Werbung gibt es populäre Beispiele. Wenn man beispielsweise mit HLX zum Taxipreis fliegen kann, oder wenn man glaubt, zu schwach für Fisherman´s Friend zu sein. Spannungsmomente mit klaren Botschaften. Spannung in Sponsoring-Leitideen oder in resultierenden -Aktivierungen ist hingegen oft Mangelware. Das liegt zumeist an der Dominanz der Plattform innerhalb der Entwicklungsprozesse.

 

Zweitens: die sponsoringtypischen Prozesse.

Bei der Entwicklung dominiert – jeder kennt das – die Plattform gegenüber der strategischen Leitidee. Zum einen formal, was zeitlichen Aufwand, Budget, plattformrechtliche und personelle Strukturen angeht. Zum anderen inhaltlich, da zunächst Thema (z. B. Sport), Plattform (z. B. Fußball) und Asset (z. B. FC Bayern München) feststehen. Aus diesen Vorgaben soll dann die Leitidee sequentiell entwickelt werden. Dadurch entstehen meistens naheliegende Leitideen und in der Folge zu selten echte Spannung. Das nächste klassische Golfturnier lässt grüßen. Die „Kreativität“ verlagert sich auf operative Details wie Spielmodi oder Fähnchen, anstatt das Procedere zu hinterfragen und so womöglich völlig neue Formate zu schaffen.

Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist aus unserer Sicht die Findung einer Leitidee mit demselben Zeitaufwand, wie er für die Kanalfindung eingesetzt wird – und mit derselben Wertschätzung. In diesem Punkt ist die klassische Kommunikation noch immer deutlich voraus.

Wichtig dabei ist es, die Problemstellungen „Welcher Gedanke soll kommuniziert werden?“ und „Welche Plattform/welcher Kanal kommt dafür infrage?“ von Anfang an zu trennen.

Divide et impera – die von Machiavelli bekannte Strategie, Kräfte zu teilen, um ein Problem von verschiedenen Seiten aus anzugehen, kann uns anleiten.

 

„Teilen und herrschen“ in der Praxis.

In der Praxis würde das Rezept dann lauten: Zwei Teams agieren zeitgleich und unabhängig voneinander. Das eine beschäftigt sich mit der Findung des richtigen Kanals, das andere ausschließlich mit der Findung einer spannenden Leitidee. Dies setzt voraus, dass auch das beteiligte Unternehmen den richtigen Impuls für einen solchen Prozess setzt. Im Anschluss werden die Ergebnisse zusammengefügt.

Spannung ist vorprogrammiert, wenn beispielsweise wie bei Red Bull Markenattribute wie „kreativ“, „extrem“, „innovativ“ und „selbstironisch“ auf die eher distanzierte, perfekte und technikorientierte Welt der Formel 1 treffen. Und so das zuvor hermetisch abgeriegelte, wenig attraktive Fahrerlager plötzlich in den Fokus der Aktivierung rückt und zur Partyzone wird. Ähnlich progressiv geht Red Bull mittlerweile auch mit der Plattform Fußball um: Da werden „Vorstadt-Clubs“ gekauft, anstatt etablierte Clubs zu sponsern. Da werden LED-Banden durch Graffiti Walls ersetzt und in Afrika entstehen Soccer Academies für Scouting-Zwecke.

In kleinerem Stil, aber mindestens ebenso spannend: das Engagement des Energieversorgers ENTEGA beim 1. FSV Mainz 05. Hier trifft ein durchaus ernstes Thema, nämlich das „Bewusstsein für klimaschonende Energieversorgung“ auf den „Karnevalsverein“ der Fußballbundesliga. Diese Spannung generiert ein unerwartetes Ziel: die Tabellenspitze als klimaneutralster Club der Fußballbundesliga innezuhaben. Und da steht in der Teamaufstellung neben dem Platz- und Torwart auch plötzlich noch der Klimawart.

Beides sind gute, aber leider rare Beispiele, bei denen strategische Idee und Plattform unabhängig gleichberechtigt stehen und so Spannung und Raum für kreative Lösungen schaffen.

Denn eigentlich ist unsere strategische Arbeit doch ganz einfach: Wir klären die kommunikativen W-Fragen ganz im Sinne von Watzlawick. Wer sagt was zu wem mit welcher Absicht und über welchen Kanal? Diese Fragen isoliert und jede für sich korrekt zu beantworten macht Sinn. Weil so weniger Naheliegendes und dadurch mehr Spannung entsteht – Spannung, die mehr Raum für kreative und so effizientere Lösungen schafft. Denn darum geht es! Vor dem Hintergrund der häufig eingesetzten hohen Budgets auch im Sponsoring!

 

 

Foto: “white flag” | kallejipp | photocase.de

 

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